Ein Ökosystem der besonderen Art
Professor Geilsdörfer präsentiert „Innovationspark KI Baden-Württemberg“
Ein Ökosystem, definiert es der „Brockhaus“, ist ein Wirkungsgefüge zwischen Lebewesen verschiedener Arten und ihrem Lebensraum. Ein solches Wirkungsgefüge entsteht gerade am Bildungscampus Heilbronn mit dem IPAI. Denn wenn es darum geht, sich für die Zukunft gut aufzustellen, ist von Künstlicher Intelligenz (KI) und Digitalisierung als Schlüsseltechnologien immer häufiger die Rede. Einer, der Deutschland diesbezüglich nicht zukunftssicher aufgestellt sieht, ist Prof. Reinhold Geilsdörfer. Der einstige Rektor der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mosbach ist seit sieben Jahren Geschäftsführer der Dieter Schwarz Stiftung, die mit einem breiten Spektrum an Bildungsangeboten Heilbronn zur „Wissensstadt“ ausbauen will und auch den DHBW-Standort Mosbach fördert. Jüngster Spross dieser Entwicklung ist der IPAI. Von ihm zu berichten, war Geilsdörfer ins Audimax der DHBW Mosbach gekommen. Gut 50 Zuhörer und Zuhörerinnen sowie 30 online zugeschaltete Studierende interessierten sich für das Thema.
IPAI steht für „Innovation Park Artificial Intelligence“, oder eben Innovationspark für Künstliche Intelligenz. Geilsdörfer sprach von einem „Ökosystem im Bereich der KI“. Der IPAI versteht sich als Plattform, auf der an KI-basierten Softwareprodukten und -lösungen gearbeitet wird. „Eine Plattform, auf der man sich informieren, weiterbilden und vernetzen kann“. Die Felder, die dabei besonders im Fokus stehen, sind Produktion und Logistik, Handel und Distribution, öffentliche Verwaltung und Daseinsvorsorge sowie Lebenswissenschaften. Die Wertschöpfung solle vor Ort bleiben, sagte Reinhold Geilsdörfer, „indem neue Geschäftsideen und -modelle durch KI-Lösungen entwickelt werden.“
Der IPAI entstand aus einem Wettbewerbsverfahren des Wirtschaftsministeriums des Landes Baden-Württemberg zum Aufbau des „Innovationspark KI Baden-Württemberg“. Das dahinter stehende Heilbronner Konsortium (bestehend aus Stadt Heilbronn, Stadtsiedlung Heilbronn GmbH sowie der Dieter Schwarz Stiftung) überzeugte eine internationale Jury mit seinem schlagkräftigen, stark von der Dieter Schwarz Stiftung geförderten Konzept und startete im Frühjahr 2022 mit dem Aufbau des IPAI. Gemeinsam mit mehreren kleinen und großen Unternehmen, Hochschulen, Verbänden und Forschungseinrichtungen, zu der auch die Metropolregion Rhein-Neckar gehört, geht nun das Konzept sukzessive in die Umsetzung. „Mit hoher Geschwindigkeit“, wie Geilsdörfer in Mosbach versicherte.
Prof. Dr. Gabi Jeck-Schlottmann, Rektorin der DHBW Mosbach, hatte ihren Vorvorgänger begrüßt als einen, der die Region zukunftssicher aufstellen wolle. Region, das ist mehr als der Bildungscampus Heilbronn, der als „Epizentrum“ in der Ankündigung des Vortrags benannt wurde. Auch der Referent versteht den IPAI keineswegs als Heilbronn-Thema. „Das soll sich vernetzen in die Region, in Deutschland, weltweit.“ Internationale Sichtbarkeit zu bekommen, sei ein wesentliches Merkmal und Voraussetzung für den Erfolg. Geilsdörfer glaubt fest daran. Er äußerte ein „persönliches Interesse“ daran, dass sich die DHBW Mosbach entwickle.
Die angeregte Diskussionsrunde im Anschluss an den Vortrag – „Feuer frei“ ermunterte Prof. Dr. Herbert Neuendorf (Wirtschaftsinformatiker) als Moderator im Audimax - offenbarte eben dies: Wo ist der Bezug zur Region? Wo sind die konkreten Beispiele im IPAI, in der Anwendung von KI? Prof. Dr. Rainer Klein, Leiter des Studiengangs Mechatronik an der DHBW Mosbach, meinte: „Die Region und Heilbronn können das definitiv gebrauchen.“ Eigentlich könnten alle nur gewinnen, da Deutschland in Sachen KI schon zu viel verspielt habe. Er fragte nach konkreten Anwendungen und Projekten. Der Gast führte als Beispiel die Stadtwerke Heilbronn an, die mit Hilfe von KI-gesteuerten Geräuschmessungen Leckstellen in den Wasserleitungen aufspüre. „Auch anwendbar auf Gasleitungen.“ Letztlich mache KI nichts anderes als Menschen, die Erfahrungen sammeln und nutzen, um neue Dinge zu machen. „Nur ohne Fehler“, verwies er darauf, dass ein autonom KI-gesteuertes Auto auf der Basis von genügend gesammelten Erfahrungen der bessere Fahrer sei als der Mensch.
Auf die vielen vermeintlich Solarzellen-freien Dächer der Neubauprojekte im Bildungscampus angesprochen, bestätigte Geilsdörfer: „Die kommen überall drauf.“ Was ihn weiterführte zum Thema Bauen der Zukunft – mit dem stark Schadstoffe emittierenden Baustoff Beton. „Deshalb ist Holz-Hybrid-Bau ein gigantisches Thema.“ Auch im IPAI, wo nicht nur mit Beton gebaut werden dürfe. Stichwort Bauen: „Wir sind hier in Mosbach, Heilbronn ist nicht weit“, stellte ein Student die Gretchenfrage: „Welche Möglichkeiten gibt es, das Mosbach von dem Campus in Heilbronn profitiert?“ Eine Antwort ist für Geilsdörfer das Baukompetenzzentrum, das in Mosbach entsteht. Vernetzung ist auch hier ein Schlüsselwort, von der beide Standorte profitieren könnten. „Dinge gemeinsam zu entwickeln, das wird die Zukunft sein.“
Digitale Kompetenzen in der Lehre und Forschung, meldete sich am Ende der Diskussion Gabi Jeck-Schlottmann zu Wort, haben fraglos ihre Bedeutung an der DHBW Mosbach. „Das passiert in jedem Studiengang und besonders in der Informatik, doch wie sollen die zukünftigen Kompetenzen aussehen, die wir als Hochschule bei den jungen Menschen entwickeln müssen – außer den digitalen?“ Für Geilsdörfer haben alternative Lernmodelle wie die ebenfalls am Bildungscampus entstandene Programmierschule „42 Heilbronn“ Reiz und Zukunft: „Die Schule lebt davon, dass die Studierenden sich die Dinge entweder selbst oder gegenseitig beibringen.“ Prof. Klein ist davon überzeugt, dass die natürliche Intelligenz nicht ersetzbar sei. „Die müssen wir fördern und fordern.“ Das Lernen werde – wieder einmal – ein anderes werden. „Künstliche Intelligenz kann dabei sicherlich helfen.“