Kultusministerin Schopper im Mosbacher Bildungsgespräch
Viele Herausforderungen an Schulen – Austausch zwischen Politikerin und Betroffene
Erstveröffentlichung am 25.09.2023 in der Rhein-Neckar-Zeitung
Rückblick, Ausblick und vor allem Einblicke gab es am 20. September 2023 beim 13. Mosbacher Bildungsgespräch im Audimax der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Theresa Schopper, Ministerin für Kultus, Jugend und Sport in Baden-Württemberg, erläuterte, wie es um die Schul- und Bildungspolitik im Land bestellt ist. Sie zog Bilanz, beschrieb die Vorhaben der Landesregierung und stellte sich den Fragen und Anregungen des Publikums. Zahlreiche Lehrkräfte, Schulleiterinnen und Schulleiter nutzten die Möglichkeit zum Austausch mit der Ministerin und erzählten von Herausforderungen und Missständen an ihren Schulen.
„Bildungs- und Schulpolitik sind in einem schweren Fahrwasser“, konstatierte Richard Zöller vom Arbeitskreis Mosbacher Bildungsgespräche gleich zu Beginn der Veranstaltung. Als Beispiele für die aktuelle Krise nannte er den Lehrermangel, die unzureichende Wertschätzung der Lehrkräfte sowie die oftmals veraltete Ausstattung der Schulen. „Wir wissen, wo es fehlt“, sagte Schopper. Der Lehrermangel werde uns die kommenden zehn Jahre begleiten; aktuell seien mehr als 500 Stellen im Land nicht besetzt. Gegensteuern wolle man mit mehr Studienplätzen. Bis jedoch aus den Studierenden Lehrkräfte geworden sind, müsse man sich mit Programmen zum Direkteinstieg in den Schuldienst behelfen, erklärte die Ministerin. So können Menschen, die nicht auf Lehramt studiert haben, unter bestimmten Voraussetzungen unterrichten.
Besorgt sei Schopper hinsichtlich der vielen Jugendlichen ohne Schulabschluss: Mehr als 6.000 junge Menschen verlassen jedes Jahr ohne Abschluss die Schule und laufen damit Gefahr, auf Dauer nicht für ihren Lebensunterhalt sorgen zu können. Schopper führte dies auch auf unterschiedliche Voraussetzungen in den Familien zurück. Zu viele Kinder erreichen nicht die Mindeststandards für den Grundschulabschluss in Mathematik und Deutsch. Deshalb will die Ministerin die Basiskompetenzen und die frühkindliche Bildung mehr in den Mittelpunkt rücken: „Wir erarbeiten gerade ein Konzept, um an der Einschulungsuntersuchung verbindliche Maßnahmen festzumachen, etwa für Sprachförderung.“
Bei der Ganztagsbetreuung an Grundschulen ab 2026 gehe es nicht nur um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sagte Schopper. Kinder, die in ihrer Familie nicht gut unterstützt werden, haben so eine bessere Bildungschance, etwa durch Hausaufgabenbetreuung. Zudem könnten in der zusätzlichen Zeit Angebote von Sportclubs und anderen Vereinen integriert werden. Damit könnte man auch dem Bewegungsmangel entgegenwirken. Schulen mit vielen Kindern aus sozial benachteiligten Familien sollen künftig stärker unterstützt werden. Der Sozialindex gibt seit vergangenem Jahr Auskunft über den Förderbedarf der Einrichtungen. Ist dieser erhöht, könnten Pädagogische Assistenten die Lehrkräfte entlasten, erklärte die Ministerin. Noch ist das in der Modellphase.
Die anschließende Gesprächsrunde eröffnete DHBW-Rektorin Professor Dr. Gabi Jeck-Schlottmann, die zuvor bereits auf veränderte Kompetenzen, mit denen junge Menschen an die Hochschule kommen, hingewiesen hatte. Die Abiturnoten werden immer besser, in den Leistungen spiegele sich das aber nicht immer wider, was zu Problemen im Studium führen könne. Jeck-Schlottmann wünschte sich, dass Schulen zu aussagekräftigeren Leistungsausweisen zurückkehren.
Eine Lehrerin erzählte, dass sie manche Dinge für den Schulalltag aus eigener Tasche zahle, weil nicht genug Budget zur Verfügung stünde. Schopper verwies diesbezüglich auf die Verantwortung der Kommunen als Schulträger. Ein anderer Lehrer beklagte, dass er wegen Klassenzimmermangels mit seinen Schülern in der Kartenkammer sitzen müsse. Ausstattungsprobleme sprach auch eine Mutter an: Viele Schultoiletten seien sanierungsbedürftig. Sie habe schon länger an ein Toilettensanierungsprogramm gedacht, meinte Schopper, aber es sei nicht einfach, ein solches aufzusetzen.
Wenngleich das Gymnasium „sozusagen die neue Volksschule“ sei, werde die verbindliche Grundschulempfehlung nicht wieder eingeführt. Zu groß sei sonst der Druck in den Klassen drei und vier, fand die Ministerin. Zur Frage nach dem Zwei-Lehrer-Prinzip, dass also Lehrkräfte im Team unterrichten, äußerte sie Verständnis, musste aber angesichts Personalmangels eine Absage erteilen: „Ich kann da für die nächsten Jahre nicht viel Hoffnung machen.“ Gut zwei Stunden Zeit nahm sich Schopper für das Bildungsgespräch, sodass noch weitere Fragen etwa zu Gemeinschaftsschule oder Bundesjugendspielen beantwortet werden konnten. Bei manchem sei sie selbst noch in der Findungsphase, meinte die Kultusministerin abschließend.