Boote mit Beton bauen
Zwei studentische Teams der DHBW Mosbach auf der Deutschen Betonkanu-Regatta
Kenntnisse des Werkstoffs Beton, Fundraising und nicht zuletzt die gesamte Projektplanung und der Bau der Boote: 17 angehende Bauingenieurinnen und Bauingenieure starten im Juni mit ihren selbstgebauten Betonkanus bei der Deutschen Betonkanu-Regatta in Brandenburg.
Nach der Premiere der DHBW Mosbach bei der Regatta vor drei Jahren gibt es in diesem Jahr gleich zwei Teams, die sich dem Wettbewerb um das beste, schnellste und schönste Boot aus Beton stellen. Das Team des Jahrgangs 2019 hatte sich bereits für die 2021 geplante Regatta gefunden, diese fiel jedoch wie viele andere Veranstaltungen der Pandemie zum Opfer. Am 11. Juni 2022 starten nun rund 80 nationale und internationale Teams aus Ausbildungsstätten, Schulen, Fachhochschulen, Hochschulen, Universitäten und anderen Institutionen, an denen Betontechnik gelehrt wird. Austragungsort ist die internationale Regatta-Wettkampfstrecke am Beetzsee in Brandenburg an der Havel. Die Wettkampfstrecke umfasst 100 Meter, eine Wende und 100 Meter als Slalom zurück. Doch nicht nur der sportliche Wettkampf wird bewertet, sondern auch Preise für Konstruktion, Nachhaltigkeit, Gestaltung der Boote, T-Shirt-Design und die Social-Media-Präsenz werden vergeben.
„Für den Bau der Kanus sind Kenntnisse aus den Bereichen Stahlbetonbau, der Statik und der Baustoffkunde erforderlich“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Thomas Reinke, Studiengangsleiter Bauingenieurwesen, der die Teilnahme 2019 initiierte. „Außerdem gilt es, das Projektteam zu organisieren und den Bau und die Teilnahme am Wettbewerb zu finanzieren, sodass auch Projektmanagement- und Marketingfähigkeiten gefragt sind.“
Concretador: Das Boot des Jahrgangs 2020
Da das Kanu für die Regatta aus Beton hergestellt werden muss, einem Werkstoff, der aufgrund seines hohen Gewichts nicht besonders geeignet zu sein scheint, müssen sich die Studierenden intensiv mit dem Thema Leichtbau auseinandersetzen. „Für den Bau des Kanus wird dabei eine geeignete Betonmischung mit besonders leichten Bestandteilen entwickelt“, erklärt Christian Stier, der die Teams als Laboringenieur betreut und berät. So wird beispielsweise Sand durch Blähgranulate ersetzt, welche Luft enthalten und damit dem Beton eine geringere Dichte verleihen. Während Normalbeton eine Dichte von mehr als 2 Kilogramm pro Liter aufweist, erreichen die Wettkampfboote auf diese Weise eine Dichte von rund 1,5 Kilogramm pro Liter.
Zudem erhalten die Boote eine „Bewehrung“, um sie zu stabilisieren. Dabei werden Textilgitter in den Beton eingebracht. „Textilbewehrter Beton enthält anders als der klassische Stahlbeton keine Bewehrungsstähle sondern stattdessen Textilgewebe aus Glas- oder Carbonfasern das die Zugkräfte im Material aufnimmt“, erläutert Reinke. Da das Textilgewebe nicht korrodiert, also mit der Luft reagiert, sind mit dieser Bauweise sehr dünnwandige und damit leichte Konstruktionen möglich. Die Wandstärken der Kanus betragen nur ca. einen Zentimeter. Die geringen Wandstärken entstehen durch lagenweises Einbringen von dünnen Betonschichten in eine Schalung, in die die Gewebe eingearbeitet werden, ähnlich wie beim Verputzen einer Hauswand. Hierfür muss die Betonmischung leicht verarbeitbar, aber dennoch steif genug sein, damit sie beim Aufbringen die Form behält. Textilbewehrter Beton bzw. Carbonbeton, findet in verschiedenen Bereichen des Bauwesens Anwendung und kann durch die mögliche Materialeinsparung auch zum ressourcenschonenden Bauen und zur Nachhaltigkeit der Betonbauweise beitragen.
ING.O: Das Boot des Jahrgangs 2019
Die Boote der zwei Teams wiegen rund 80 Kilo und sind damit verhältnismäßig gut zu transportieren, denn der Vorgänger mit 120 Kilo konnte nur mit mehren Mann und Schlingen gewuchtet werden. Dennoch haben die nächsten Jahrgänge noch viel Potenzial zur Weiterentwicklung, denn manche Teams mit jahrelanger Erfahrung bringen Boote mit 20 Kilo an den Start. „ING.O“, das Boot des Teams INGenious des Jahrgangs 2019 misst 5 Meter, der „Concretador“ des Jahrgangs 2020 etwa 4,80 Meter. Die Teams haben sich außerdem für unterschiedliche Bootsformen entschieden, die ihnen im freundschaftlichen Wettstreit Vor- oder auch Nachteile bei Schnelligkeit, Wendigkeit oder Stabilität verschaffen. Auch in der Rudertechnik unterscheiden sich die beiden Teams – genaugenommen sogar vier Teams, denn jeder Jahrgang stellt ein zweiköpfiges Männer- und Frauenteam. Während ein Jahrgang auf beiden Unterschenkeln kniet, stellt der andere einen Fuß auf und kniet einbeinig. Wirklich große Rudererfahrung hatte bisher niemand, doch ein Kriterium des Wettkampfs: Wer im Boot sitzt, muss es auch mit gebaut haben.
Das Bauingenieurwesen mit der Studiendekanin und weiteren 8 Professoren, einem Doktoranden und 3 Laboringenieuren für rund 600 Studierende ist der größte Studiengang der DHBW Mosbach. Derzeit finden die Vorlesungen und Seminar im Gebäude der Diakone statt, viele Laborübungen im Neubau der DHBW Mosbach im Lohrtalweg. Die beide Boote sind dagegen im Gebäude H der DHBW Mosbach entstanden, das wie die Diakonie am Ortsausgang Richtung Neckarburken, aber auf der anderen Straßenseite liegt. „So weit außerhalb zu sein ist in diesem Fall sogar Vorteil, denn hier können wir so viel Schmutz und Lärm machen, wie notwendig ist“, so Stier, Herr über die Zementeimer, Kübel mit Gesteinskörnungen und Prüfmaschinen zur Charakterisierung von Beton bzw. dessen Bestandteilen. Im Gebäude H findet für alle angehende Bauingenieurinnen und Bauingenieure bereits zu Beginn Ihres Studiums das Betonlabor statt. Später folgt dann für die meisten Kurse das Geotechniklabor. Hierbei erkunden die Studierenden auf den Freiflächen rund um das Gebäude den Boden vorgenommen und untersuchen entnommenes Bodenmaterial im Labor.
Die Idee, Kanus aus Beton zu bauen und junge Leute für den Baustoff zu begeistern, klingt dabei übrigens moderner als sie ist: Der Bau von Betonschiffen hatte seine Hochphase bereits während und nach den beiden Weltkriegen aufgrund des Stahlmangels. Vielleicht wird die aktuelle Rohstoffkrise also uns auch zukünftig auch wieder Lastschiffe aus Beton auf dem Neckar bescheren…
Förderer und Sponsoren:
Sponsoren der zwei Teams waren die Stiftung Pro DHBW Mosbach sowie peterbeton, Schleith, Union Hornbach und Kirn. Weitere Unterstützer sind die Albert Amos Gmbh & Co. KG, GOLDBECK GmbH, weisenburger bau GmbH, B&O Bau Baden-Württemberg GmbH, Karl Köhler GmbH, fischerwerke GmbH & Co. KG, Gottlob Brodbeck GmbH & Co. KG, Lidl Stiftung & Co. KG, Rühle GmbH Maschinenpark, Fritz Gauer Bauunternehmung GmbH & Co.KG.
Die Betonkanus der DHBW Mosbach in der SWR Landesschau
- 10. Juni 2022 ab 18.45 Uhr als kurzer Beitrag vor dem Wettbewerb
- 13. Juni 2022 ab 18:45 Uhr als längerer Beitrag inkl. Abschneiden im Wettkampf
- und anschließend jeweils in der Mediathek