Über neue Dimensionen der Bauplanung
Podiumsdiskussion zur Digitalisierung in der Baubranche an der DHBW Mosbach
Die Digitalisierung macht vor kaum einem Lebensbereich, vor keiner Branche Halt. Das Bauwesen macht da keine Ausnahme. Auch nicht an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mosbach mit ihrem weit gefächerten Angebot von Bauingenieurwesen bis Holztechnik. Der Bedeutung des Themas angemessen fand nun ein Dialog mit Podiumsdiskussion statt, der den Entwicklungen Rechnung tragen möchte.
Der Studiengang Bauingenieurwesen hat an der DHBW Mosbach eine rasante Entwicklung genommen. Was 1993 noch unter der Bezeichnung Metallbautechnik anfing, ist heute der größte technische Studiengang mit rund 550 Studierenden. „Seit 2016 gibt es eine Aufnahmebegrenzung“, skizzierte Studiengangsleiter Prof. Dr.-Ing. Markus Schönit die Lage. „Die Nachfrage ist derzeit doppelt so hoch wie die Anzahl der Plätze.“ Für den Prorektor und Dekan der Fakultät Technik, Prof. Dr. Max Mühlhäuser, sind die Studienangebote im Baukompetenzzentrum und der Digitalisierung die „Leuchttürme, mit denen wir uns in Mosbach strategisch profilieren.“ In Mosbach wurde 2015 sogar mit der Studienrichtung „Öffentliches Bauen“ das deutschlandweit einzige Angebot dieser Art eingeführt.
Die Faktoren Kosten und Zeit
„Digitalisierung kann das Bauen günstiger, schneller, ökologischer und sicherer machen“, hatte man zur Podiumsdiskussion vielversprechend eingeladen. Ein Begriff kursiert dabei in der Baubranche: BIM, Building Information Modeling oder zu Deutsch: Bauwerksdatenmodellierung. Mancher spricht und sprach auch bei der Veranstaltung von der fünften Dimension, weil zu den „klassischen“ drei räumlichen Dimensionen die Faktoren Kosten und Zeit hinzukommen. So werden Bauwerkdaten digital erfasst, modelliert, kombiniert, um Planung, Ausführung und Bewirtschaftung zu vernetzen. Ziel ist, die Kommunikation zwischen allen Projektbeteiligten ebenso wie die Qualität des Projekts zu verbessern sowie Kosten- und Zeitsicherheit zu gewinnen.
Mit einem Impulsvortrag schaffte Alexander Hofmann die Verbindung von den einführenden Worten der beiden Mosbacher Professoren zur Diskussionsrunde mit vier Fachleuten. Der Geschäftsführer der Hochtief PPP Transport Westeuropa GmbH ist Lehrbeauftragter an der Hochschule Biberach (HBC) und hat die „Virtuelle Akademie A6“ ins Leben gerufen, an der sich immer mehr Bauingenieurwesen-Professoren der baden-württembergischen Hochschulen beteiligen. Auch Professor Markus Schönit ist Mitglied der „Virtuellen Akademie A6“ und so wurde die Podiumsdiskussion im Rahmen der regelmäßig an wechselnden Hochschulstandorten stattfindenden Veranstaltungsreihe „Virtuelle Akademie A6…im Dialog“ dieses Mal im Audimax der DHBW Mosbach geführt. Für Alexander Hofmann ist klar: „Unsere Branche befindet sich in einem Wandel, der unumkehrbar ist.“
Doch: BIM ist in der Baubranche noch nicht so richtig angekommen. Monica Schulte Strathaus nannte einen Anteil von lediglich elf Prozent der Unternehmen, die sich der Methode bedienten. Als Partnerin in der Transaktionsberatung bei Ernst & Young vertrat sie aber auch die Ansicht, dass BIM mehr sei als die Ausarbeitung eines 5D-Plans. Und sie findet: „BIM ist ein Aspekt, Automatisierung ein anderer.“ Es gelte, einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen. Mit der Digitalisierung stehe die Baubranche vor fundamentalen Veränderungen. Schulte Strathaus ermunterte dazu, sich den neuen Entwicklungen nicht zu verschließen: „Keine Scheu!“
Digitalisierung als Chance für den Bau-Nachwuchs
Dass in den Köpfen der Bauwirtschaft erst ein Schalter umgelegt werden müsse, mit dieser Einschätzung nahm Ministerialdirigent Andreas Hollatz den Ball auf. Der Leiter der Abteilung „Straßenverkehr und Straßeninfrastruktur“ im Verkehrsministerium Baden-Württemberg kennt aber auch die Praxis, beispielsweise des Asphaltwalzens: „Statt alle Daten zu prüfen und dann zu handeln, vertraut der Fahrer lieber noch seinem Popo.“ Im Straßenbau sieht Hollatz das Thema Digitalisierung erst am Anfang. „Jetzt müssen wir Impulse geben, das ist die Chance für die Jungen.“ Im Audimax der DHBW Mosbach verfolgten sowohl die angehenden Bauingenieure als auch Vertreter der Dualen Partner der DHBW Mosbach mit Interesse die Ausführungen.
Von der Realität am Bau versteht auch Prof. Dr. Christof Gipperich etwas: Bevor er 2015 an der HBC seine Lehrtätigkeit aufnahm, hat er lange praktische Bauerfahrungen gesammelt. Das an der Hochschule installierte Biberacher Kompetenz- und Transferzentrum für die Digitalisierung der Bauwirtschaft soll die vielen kleinen und mittelständischen Bauunternehmen und Handwerksbetriebe aus der Region dabei unterstützen, Anschluss an die Digitalisierung der Wirtschaft zu bekommen. BIM setze voraus, dass alle an einem Strang zögen, befand Gipperich, aber „die aktuelle Realität am Bau sieht anders aus.“
„Nicht jedes kleine Ingenieurbüro wird sofort auf BIM umstellen“, schaltete sich Marc Thiel ein. Er vertrat das Düsseldorfer Technologie-Netzwerk ProMaterial, das sich auf den Online-Vertrieb von Bauprodukten spezialisiert hat. Es gelte, so Thiel, zunächst das Ziel richtig zu definieren, um dann die Prozesse dahingehend zu adaptieren. „BIM ist kein Allheilmittel, denn viele andere Faktoren beeinflussen den Verlauf: Menschen, Verträge, Meinungen…“ Seine Erfahrungen mit BIM-gestützten Projekten sind dennoch überwiegend positiv.
Zusammenfassend kann nach den angeregten Diskussionen festgestellt werden, dass es noch eine Menge Optimierungsbedarf bei der Umsetzung von BIM gibt. Dies stellt jedoch auch eine große Chance für die Baubranche dar, dem großen Fachkräftemangel mit einer erhöhten Produktivität zu begegnen.
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