Virtuelle Mathematik-Vorkurse brachten die Lehrperson ins Wohnzimmer
Das Studium an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mosbach startet im Oktober. In den zwei Monaten davor nutzen viele der Erstsemester-Studierenden jedes Jahr das Vorkursprogramm, um die elementaren Grundlagen in den Fächern Mathematik und Physik aufzufrischen oder sich bereits auf die entsprechenden Vorlesungen vorzubereiten. Ein Teil davon fand schon seit einigen Jahren in Form eines (betreuten) Onlinekurses statt. Im Corona-Jahr 2020 wurde darüber hinaus auch der Präsenzkurs virtualisiert. Der Kurs holte also nicht die Studierenden in den Hörsaal nach Mosbach, sondern brachte die Mathematik zu ihnen in die heimische Wohnung.
Als feststand, dass auch im August noch keine Studierenden an den Campus kommen dürfen, war es weder für das Education Support Center (ESC) noch für das Kompetenzzentrum für Didaktik der Mathematik eine Option, den Intensivkurs im Umfang von ein bis zwei Wochen einfach nur in einer Webkonferenz streamen, verschiedene Studien zeigen, dass ein Onlinekurs dann besonders erfolgreich ist, wenn er verschiedene Methoden miteinander kombiniert. Der Leiter des Kompetenzzentrums für Didaktik der Mathematik Prof. Dr. Gerhard Götz und der ESC-Vorkursbetreuer Moritz Brüstle entschieden sich daher gemeinsam für die Umsetzung eines Flipped Classroom-Konzepts: Die klassische Form der Präsenzlehre besteht aus Phasen, in denen die Lehrperson neuen Stoff erklärt und darauf aufbauenden Übungen zu Hause. Im “Flipped Classroom” hingegen erstellen die Lehrenden Material für die Studierenden, häufig Lernvideos, die zu Hause angesehen werden, während offenen Fragen sowie die Übungen gemeinsam mit der Lehrperson behandelt werden.
“Unser virtueller Mathematik-Flipped Classroom ermöglicht Lernen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten, indem verschiedene didaktische Methoden in optimaler Weise miteinander kombiniert werden und im Gegensatz zu einer reinen Präsenzvorlesung ein einfacheres Lernen in unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten erlaubt”, erklärt Gerhard Götz. Die Lernvideos bieten eine schrittweise, an einfachen Beispielen geführte Hinführung zu neuen Inhalten, die im eigenen Tempo und bei Bedarf gestoppt oder mehrmals bearbeitet werden können. Die didaktisch geschulte Lehrperson ist in einer Webkonferenz immer persönliche erreichbar und wird von den Studierenden bei Verständnisproblemen und weiterführenden Fragen angesprochen. Ein umfangreiches Angebot an anwendungsorientierten, themenbezogenen Aufgaben und digitale Online-Trainings festigen die Kenntnisse durch Üben und Wiederholen weiter.
Insgesamt 261 angehende Studierende besuchten einen der 15 jeweils ein- bis zweiwöchigen Mathematik-Kurse. Die Hochschule ließ speziell für diesen Kurs rund 50 Lernvideos erstellen, die auf Skripten und Übungsaufgaben der bisherigen Vorkurse basieren. Ein Lernvideo dauert dabei in der Regel zwischen 15 und 30 Minuten und kann bei Bedarf unterbrochen bzw. wiederholt werden. Dies hilft insbesondere den schwächeren Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die mit den Vorkursen besonders gefördert werden sollen.
Natürlich sei die Skepsis am Anfang vorhanden gewesen, ob die Studierenden auch an einem virtuellen Kurs teilnehmen würden, denn das Programm kostet aufgrund der nötigen, intensiven Betreuung eine Teilnahmegebühr. Doch die Teilnehmerzahl liegt auf demselben Niveau wie im Vorjahr, obwohl die Gesamtzahl der Studienanfänger*innen gesunken ist. “Die Evaluationen zeigen uns darüber hinaus, dass die Studierenden wie auch die Lehrbeauftragen zufrieden oder sehr zufrieden waren. Auch haben sie beim Abschlusstest vergleichbar abgeschnitten”, weiß Moritz Brüstle zu berichten. Der virtuelle Mathematik-Vorkurs soll daher auch zukünftig als eine neue vierte Säule für diejenigen angeboten werden, die an einem Präsenzkurs teilnehmen sollten, sich aber erst nach dem Sommer einschreiben. „Die herausfordernde Situation im Frühjahr und Sommer hat das Spektrum der digitalen Lehre der DHBW Mosbach enorm bereichert und die Vorkurse spielen dabei eine nicht unwichtige Rolle. Neben deren Umsetzung ist deren fachdidaktische Untermauerung ebenso wichtig wie deren empirische Evaluation”, zieht Gerhard Götz ein positives Fazit.