Der Raum: virtuell. Die Mobilität: elektrisch
Studium Generale an der Dualen Hochschule in Mosbach als virtueller Vortrag – Fakten statt Fakes beim Thema E-Mobilität
„Veranstaltungsraum: online“. So weit, so normal in Zeiten merklicher Kontaktbeschränkungen. Ursprünglich sollte da stehen: Audimax der DHBW Mosbach. Ursprünglich auch sollte der Vortrag im Rahmen des Studiums Generale am 21. April stattfinden. Knapp zwei Monate später nun lud die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mosbach zum virtuellen Vortrag, der dritte dieser Art an der DHBW Mosbach, die sich auf Corona-Bedingungen eingestellt und ihre Angebote entsprechend angepasst hat. Das Bemerkenswerte (mit oder ohne Pandemie): Es ist innerhalb weniger Monate der dritte Vortrag zum Thema Elektromobilität.
Wiederum war Prof. Dr. Rainer Klein, der Leiter des Studiengangs Mechatronik, der Gastgeber, der eingeladen hatte, „ausgewählte Aspekte der (E-)Mobilität“ zu diskutieren. Zur „Zoom“-Webkonferenz hatten sich mehr als 40 Teilnehmer angemeldet. Als Referent konnte Dipl.-Ing. Conrad Rössel gewonnen werden. Mit der Thematik Mobilität habe er sich schon als Kind befasst, stellte sich der Elektrotechniker mit Tretroller anno 1960 vor. Später hat er für Daimler-PKWs und für die Stadtbusse der Voith Turbo GmbH Hybridantriebe entwickelt. In dem Heidenheimer Verein „Solar“ hat er Lehrverpflichtung und hält Vorlesungen über elektrische Antriebe und Speicher. Sein Antrieb, Irrtümer und Vorurteile über Elektrofahrzeuge zu hinterfragen oder zu widerlegen, speist sich aus den oftmals plakativen Behauptungen, die in diesem Zusammenhang aufgestellt werden. Geradezu „medial vergiftet“ ist nach Rössels Auffassung das Thema E-Mobilität in Deutschland.
In seinem Vortrag pflückte er einen ADAC-Vergleich verschiedener Antriebsarten auseinander, bei dem der Diesel das E-Auto überholte. „In der Klasse der stärker motorisierten Fahrzeuge aber wurden Äpfel mit Birnen verglichen, ein Power-Elektro-SUV mit einer schwachen Diesel-Limousine“, hat sich Rössel die Ergebnisse genau angesehen. Dabei ließ der Referent durchblicken, dass er selbst ein leidenschaftlicher Autofahrer ist und gern mit „seinem kleinen Biest, einem Tesla Modell 3“ nach Mosbach zu einem Präsenzvortrag gekommen wäre. In seine Betrachtungen darüber, ob „das Elektroauto die Umwelt retten kann“, floss außerdem ein, dass Mobilität nicht aufs Auto beschränkt ist. Mit Verkehrsvermeidung und Verhaltensänderung, mit Radfahren und ÖPNV aber seien die notwendigen Klimaschutzziele nicht zu erreichen.
Kakao und Lithium
„Die Mobilität kann man den Leuten nicht wegnehmen.“ In Deutschland würden 80 Prozent der erzeugten Personenkilometer vom motorisierten Individualverkehr erledigt, kennt der Entwickler die Zahlen und folgert: „Der Individualverkehr wird bleiben, sogar steigen, also muss ich beim PKW was tun, wenn ich einen relevanten Beitrag zur Senkung der Treibhausgasausstoßes leisten will.“ Trotzdem werde der Umweltnutzen von E-Autos immer wieder in Frage gestellt. Mitte 2019 warf eine ARD-Filmdokumentation die Frage auf: „Kann das Elektroauto die Umwelt retten?“ Mit dem Ergebnis, dass nicht das Antriebssystem das Entscheidende sei, sondern weniger Straßenverkehr, kleinere Autos und hohe Recyclingquoten. Auf den Aspekt „Rohstoffe“, der in diesem Film zu kritischen Überlegungen über den Ressourcenabbau für E-Mobilität führt, ging auch Conrad Rössel ein. Dass bei der Gewinnung von Kobalt oder Lithium sich schon fast automatisch ein negatives Bild der E-Mobilität bilde (Kinderarbeit, hohe Wasserverbrauch), niemand aber ähnliches denke, wenn von Schokolade die Rede sei. „Auf Kakao-Plantagen in Afrika arbeiten zwei Millionen Kinder, und der Wasserverbrauch bei der Gewinnung von Lithium für ein großes E-Auto entspricht dem der Erzeugung von einem Kilogramm Rindfleisch.“
Nach gut 90 Minuten in der Webkonferenz applaudierte Professor Klein dem Referenten, der viele der in den Medien verbreiteten Aussagen habe entkräftet können. Auch pflichtete er dem Redner bei, der die mobile Auto-Zukunft nicht in der Brennstoffzelle sieht und kritisierte damit das gerade von der Bundesregierung angekündigte Förderprogramm zugunsten dieser weiteren Antriebsart. „Wir können nur versuchen, die Leute zu überzeugen“, sagte Klein abschließend; die beiden Fachleute sehen in der Elektrifizierung aller Verkehrsmittel bei gleichzeitigem Ausbau erneuerbarer Energien die größten Chancen, den Klimawandel zu wandeln. Dass der virtuelle Vortrag trotz Überlänge keineswegs langweilig war, zeigte der Kommentar eines Teilnehmers: „Nächstes Mal auch gerne acht Stunden. Wissensaustausch ist wichtig!“
Die Präsentationsfolien sind zu finden unter folgendem Link: www.mosbach.dhbw.de/berichte-studium-generale