Der schwarze Schimmel trabt in die falsche Richtung
E-Mobilität, die Zweite: Studium Generale an der DHBW Mosbach widmete sich einmal mehr der Entwicklung batterieelektrisch angetriebener Fahrzeuge
Man kann es nicht oft genug sagen, und deshalb tat es Prof. Dr.-Ing. Martin Doppelbauer auch: „Es gibt keine sauberen Verbrennungskraftmaschinen!“ Das sei ein schwarzer Schimmel. Damit stieg der Karlsruher Professor in seinen Vortrag im Audimax der DHBW Mosbach ein, den er mit „PKW 2.0 – Das Auto wird neu erfunden“ überschrieben hatte. Es ist erst vier Monate her, dass im Rahmen der DHBW-Veranstaltungsreihe „Studium Generale“ Prof. Dr. Rainer Klein die Mythenbildung ums E-Fahrzeug auf den Prüfstand gestellt hatte. Nun war der Leiter des Mosbacher Studiengangs Mechatronik Gastgeber für den Kollegen aus dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), an dem Martin Doppelbauer die Professur für hybride elektrische Fahrzeuge am Elektrotechnischen Institut innehat. Auch Doppelbauer nahm sich die vielen Behauptungen und Befürchtungen vor, die mit dem elektrisch angetriebenen Auto einhergehen, setzte dahinter Fragezeichen, gab wissenschaftlich basierte Antworten.
„In den letzten 30 Jahre ist ausgerechnet beim Verkehr nahezu nichts passiert“
Das batterieelektrisch angetriebene Fahrzeug (BEV) ist nach seiner Ansicht die einzige umweltfreundliche Antriebsart, zu der auch mit Wasserstoff betriebene PKW keine Alternative seien. „Wegen der schlechten Wirkungsgradkette haben Fahrzeuge mit Brennstoffzellen einen hohen Primärenergiebedarf und benötigen eine aufwändige Infrastruktur.“ Die Brennstoffzelle habe in anderen Anwendungsfeldern ihre Daseinsberechtigung. Das Strategiepapier des Elektrotechnikers, in dem das nachzulesen ist, hat Rainer Klein „sehr beeindruckt“. Beeindruckend war jedoch auch, was gut 40 Gäste im Audimax zu hören bekamen.
Doppelbauers Grundüberlegungen gehen von einer dringend notwendigen Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes (CO2) aus. „Ein Liter Kraftstoff verbraucht ungefähr den Sauerstoff von zehn Kubikmetern Luft und erzeugt 2,6 Kilogramm CO2.“ Das könne man nicht herausfiltern. Diese Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor bis ins Jahr 2030 um 40 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu reduzieren, ist das erklärte Ziel der Bundesregierung. „Nur ist in den letzten 30 Jahre ausgerechnet beim Verkehr nahezu nichts passiert“, verwies der Elektrotechniker auf eine Senkung um gerade mal 0,8 Prozent. In anderen Bereichen – Energiewirtschaft, Industrie, Haushalte – konnten die Emissionen um 30 oder mehr Prozent gesenkt werden.
Die sich daraus ergebende „historische Herausforderung“ will Doppelbauer aber gern annehmen – mit BEV. Als langjähriger Leiter in der Entwicklung von Elektromotoren eines Industrieunternehmens benannte er sowohl die Vorteile der batteriebetriebenen Fahrzeuge als auch deren Zukunftstauglichkeit. Stichwort Steckerchaos: „Vom Nordkap bis Gibraltar können Sie überall laden.“ Stichwort Batterie aufladen: „Eine Ladestation mit elf Kilowatt Leistung lädt in einer Nacht selbst die Batterien der größten Elektroautos auf, die 500 Kilometer Reichweite haben. Ultraschnelle Ladesäulen mit 350 Kilowatt bringen in zehn Minuten den Strom für 300 Kilometer in die Batterie.“ Von letzteren (allein vom Betreiber Ionity) gebe es – Stand März 2020 – 218 in Mitteleuropa und Skandinavien. Stichwort Reichweite: „Die hat sich in den letzten fünf bis sieben Jahren verdoppelt.“ Stichwort Preise für Batterien: „Alle Prognosen waren zu pessimistisch.“ Stichwort Rohstoffe: „Lithium gibt’s ohne Ende, seltene Erden sind unkritisch, der Kobaltverbrauch ist stark rückläufig, und 90 Prozent der Rohstoffe einer Batterie werden heute recycelt.“ Zudem spiele das zweite Leben von Batterien eine wachsende Rolle („2nd-Life von Akkus“).
„Es macht sehr viel Spaß!“
Schließlich kam der Referent noch auf das angeblich zusammenbrechende Stromnetz in Deutschland zu sprechen. „Wenn alle 42 Millionen PKW hierzulande elektrisch führen, müsste die Bruttostromerzeugung um 22 Prozent gesteigert werden.“ Verteilt auf 20 Jahre aber bedeute das eine Steigerung um rund ein Prozent jährlich, was Doppelbauer für machbar hält – aus regenerativen Quellen. Lokale Erzeugung (mittels Photovoltaikanlagen) und Nutzung (der Batterien als Pufferspeicher) spielen dabei eine zentrale Rolle hinsichtlich der Netzstabilität.
Konstruktive und servicetechnische Vorteile der BEV sind weitere Argumente, die der Gastredner benannte. Da er selbst ein Elektroauto fährt, brachte er das wohl schlagkräftigste am Schluss seines Vortrags: „Es macht sehr viel Spaß!“ Und das große Thema CO2-Emissionen zu senken? „In der Nutzungsphase liegen batterieelektrische Fahrzeuge weit vorne. Gerechnet mit dem mittleren deutschen Energiemix aus 2018, also unter Berücksichtigung der Stromproduktion aus Kohlekraftwerken, sparen Elektroautos rund 40 Prozent CO2-Emissionen verglichen mit typischen Diesel-PKW und Brennstoffzellenfahrzeugen.“ Der Emissionsvorteil von E-Autos gegenüber Brennstoffzellen-PKW bliebe auch bei rein regenerativer Stromerzeugung vollständig erhalten. Doppelbauers Fazit: „Batterieelektrische PKW sind der einzig gangbare Weg in eine abgasfreie und CO2-emissionsarme Zukunft der individuellen Mobilität.“ Auf dieses Pferd setzt der Wissenschaftler.
SAVE THE DATE: Der nächste Vortrag in der Reihe findet am 21. April zum Thema "Spezielle Aspekte der (E)-Mobilität - Rohstoffe, Bilanzen, Emissionen" statt. Mehr Infos unter www.mosbach.dhbw.de/studium-generale.
Präsentation zum Vortrag hier.