Der Stoff, aus dem CO²-freie Träume sind
Im Audimax der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mosbach referierte Experte Manfred Scholl zum Thema "Wasserstoff - unser zukünftiger Energieträger"
„Energiewende“ steht als Motto über einer Reihe des Studium Generale an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mosbach, initiiert von Prof. Dr. Rainer Klein, Leiter des Studiengangs Mechatronik. In der dritten dieser öffentlichen Lehrveranstaltungen sollte es im Audimax um Wasserstoff gehen. Als Energieträger der Zukunft wird das Molekül mit dem Symbol H2 gehandelt. Raketen treibt er längst an. Auch Züge, Flugzeuge und Schiffe. Als Ersatz für Erdgas, Öl und Kohle ist er Teil der Nationalen Wasserstoffstrategie. Aber taugt der H2 auch für den irdischen Normalverkehr? Als Gastreferenten hatte Klein den Manfred Scholl unterrichtet am Schülerlabor des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im 30 Kilometer entfernten Lampoldshausen. Dort wird erstmals ein DLR-Standort nachhaltig auf der Basis von „grünem“ (emissionsfreiem) Wasserstoff mit Energie versorgt. Die dafür notwendige Energie wird mit überschüssiger Elektrizität von 18 Windrädern im benachbarten Harthäuser Wald erzeugt. Technologie und Knowhow aus Jahrzehnten langem Umgang mit Wasserstoff in der Raumfahrt, wird in die Sektoren Mobilität und Energie transferiert.
Über die Notwendigkeit der Energiewende brauche man nicht zu diskutieren, führte Gastgeber Klein ins Thema ein. „Aber wie wir die Energiewende aktiv herbeiführen können“, ist sein Anliegen. „Dass wir uns dabei nicht allein auf die Politik verlassen können, zeigen leider die immer wieder nicht erreichten Ziele der Energie- und Klimapolitik der letzten Jahrzehnte.“ Bekannt als Verfechter der Elektromobilität erlaubte sich der Dozent noch vor dem Vortrag die Feststellung: „Viele warten aufs Wasserstoff-Auto, ich verrate Ihnen: es wird nicht kommen.“ Was von seinem Gast auch bald bestätigt wurde. Wie notwendig für Scholl die Energiewende ist, das machte der Ingenieur, der bekannte, einen Golf Diesel zu fahren, gleich zu Beginn deutlich: „Ich spreche nicht vom Klimawandel, denn wir haben eine Klimakrise.“ Das Rückgrat der Energiewende bilden für ihn Sonne und Wind, der Schlüssel sei der Wasserstoff.
Die Schlüsselrolle komme dem Wasserstoff als Speichermedium zu. „Dann, wenn wir wenig Wind und wenig Sonne, so genannte Dunkelflauten haben.“ Weil es darum geht, klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) zu vermeiden, ist die Herstellung von Wasserstoff nur dann „grün“, wenn er durch Elektrolyse aus Wasser erzeugt und in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird. „Grün“, CO2-frei aber wird’s logischerweise nur mit Strom aus erneuerbaren Energien. So ein sektorenübergreifendes Kraftwerk sei die Forschungsplattform „HO2rizon“, verriet Scholl, dafür habe man 2020 vom Land Baden-Württemberg 16 Millionen Euro erhalten.
Die Kosten für grünen Wasserstoff bezifferte Manfred Scholl auf derzeit rund 20 Euro pro Kilogramm, das sei zwar (noch) mehr als bei der Erzeugung von „grauem und blauem“ Wasserstoff, die aber hinterließen CO2. „2050 könnten wir bei einem Kilopreis für grünen H2 von drei Euro sein.“ Wie wichtig es ist, Kohlendioxid als Klimakiller zu vermeiden, machte der Vortragsredner auch an der eigenen Lebensgeschichte deutlich. „Mein erstes Auto war ein Käfer mit 40-Liter-Tank. War der leer, waren 106 Kilogramm CO2 in der Luft.“ Scholl empfahl beim nächsten Tanken daran zu denken, die Tankmenge mit dem Faktor 3,7 zu multiplizieren. „Dann wissen Sie, dass das Produkt in Kilogramm Ihr CO2-Ausstoß sein wird.“
Strom aus Wasserstoff zu gewinnen, damit eine Brennstoffzelle zu be- und etwa ein Fahrzeug anzutreiben, ist nur eine bedingte Alternative, da der Wirkungsgrad weit hinter dem Batterie-elektrisch betriebener Autos zurückbleibe. Während der Wirkungsgrad beim Verbrenner unter zehn Prozent liege, schaffe das Batterieauto mehr als 90 Prozent. „Doch Schwerlast-, Flug- und Schiffsverkehr könnten so klimaschonend laufen“, sieht Scholl Möglichkeiten. „1000 Kilometer schafft ein Lkw spielend.“ Auch bei Großprojekten in der Stahl- und Chemieindustrie, bei denen thermische Energie aus H2 hergestellt werde, auf schwer zu elektrifizierenden Bahnstrecken oder zum Betreiben von Gaskraftwerken mit klimaneutralen Gasen habe Wasserstoff Potential. „Es geht voran mit dem H2 in Deutschland“, begrüßte Scholl die von Bundesregierung vor zwei Jahren beschlossene Nationale Wasserstoffstrategie, von der man auch im Lampoldshausener „Reallabor“ profitiere. Doch: „Es muss extrem schnell gehen“, blickte Manfred Scholl auf die deutsche Wasserstoff-Zukunft, „wir sind die qualifizierte Industrienation, um einen großen Anteil des Weltmarktes zu sichern.“