Frauen kommunizieren anders - Männer aber auch
Die Organisatorinnen der diesjährigen Frauenwirtschaftstage an der DHBW Mosbach verraten im Interview warum das Kommunikationsverhalten der Geschlechter das Miteinander im Berufsleben beeinflusst.
Frauen reden ständig und Männer hören nie zu. Über die unterschiedliche Kommunikationsweisen einzelner Geschlechter gibt es zahlreiche Klischees. Wie unterschiedlich Frauen und Männer kommunizieren, beleuchten die Frauenwirtschaftstage an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mosbach. Referentin Tanja Eggers hat selbst in Mosbach studiert und kennt als Business Coach die Kommunikationsschwierigkeiten in der Führungs- bzw. Teamarbeit. Warum die Frauenwirtschaftstage nicht nur speziell für Frauen sind und welchen Einfluss Gleichstellung in unserem Beruf hat, verraten die Organisatorinnen Angelika Bronner-Blatz, Beauftragte für Chancengleichheit und Frauenförderung des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis, und Prof. Gudrun Reichert, Professorin und Gleichstellungsbeauftragte der DHBW Mosbach.
Breits zum 16. Mal finden die landesweiten Frauenwirtschaftstage (FWT) statt. Auch die DHBW Mosbach bietet seit langem Vorträge und Veranstaltungen dazu. Aber an wen genau richten sich die FWT denn überhaupt?
Gudrun Reichert: „Das kann und sollte meiner Meinung nach nicht eingegrenzt werden, insbesondere nicht auf Frauen. Die Frauenwirtschaftstage richten sich an die Allgemeinheit. Sie sollen auf die immer noch vorhandenen Defizite bei der Gleichstellung der Geschlechter hinweisen und Männer und Frauen für die hiermit verbundenen Probleme sensibilisieren.“
Angelika Bronner-Blatz: „Die Frauenwirtschaftstage sind durch das Land Baden-Württemberg initiiert worden, um Frauen auf ihrem Weg zur gleichberechtigten Teilhabe am Erwerbsleben und in der Wirtschaft zu begleiten. Unternehmen und vor allem alle interessierten Frauen und Männer sind angesprochen, zu regionalen Workshops, Kongressen, Vorträgen oder Beratungen zu gehen ...“
Warum sind die Frauenwirtschaftstage auch heute noch so wichtig?
Angelika Bronner-Blatz: „Ja diese Frage ist durchaus berechtigt, waren die Frauen doch noch nie so gut ausgebildet wie heute und stehen fest im Berufsleben. Im Jahr 2019 waren in Deutschland 76,6 Prozent der erwachsenen Frauen im erwerbstätig. Im europäischen Vergleich hat Deutschland 2019 damit nach Schweden und Litauen die dritthöchste Frauen-Erwerbstätigenquote. Aber nur rund 30 Prozent der Führungskräfte in der Bundesrepublik Deutschland waren 2019 weiblich. Baden-Württemberg liegt mit 28 Prozent noch darunter. Da besteht noch deutlich Luft nach oben.“
Gudrun Reichert: „In den letzten Jahren und Jahrzehnten sehen wir positive Beispiele von Frauen in Führungspositionen. So gibt es Frauen wie Melanie Kreis, die als zweifache Mutter bis zur Finanzvorständin der Deutschen Post AG aufgestiegen ist. In den Schlüsselpositionen von Politik und Wirtschaft insgesamt sind aber Frauen immer noch deutlich unterrepräsentiert, tendenziell nimmt der Frauenanteil ab, je höher die betreffenden Stellen angesiedelt sind. In Vorständen von börsennotierten Unternehmen sind Frauen auch heute noch ‚Exotinnen‘.“
Angelika Bronner-Blatz: „Deshalb nehmen die landesweiten Angebote zu den Frauenwirtschaftstagen immer auch Frauen in Führungspositionen in den Blick. Sie geben Anstöße, um Chancengleichheit voranzubringen, Aufstiegsperspektiven für Frauen zu erhöhen und Unternehmen für die damit verbundenen Potenziale und Chancen zu sensibilisieren. Das diesjährige Schwerpunktthema lautet „Female Leadership – Chefinnen gesucht!“.“
Gudrun Reichert: „Die Frauenwirtschaftstage machen auf dieses Ungleichgewicht aufmerksam und bieten Ideen und Ansätze sowohl für alle Personen und auch für die Gesellschaft, diesen Zustand positiv zu verändern.“
Frau Bronner-Blatz: Wie bewerten Sie die Situation von Frauen in Führungspositionen/ Chancengleichheit im Neckar-Odenwald Kreis aus?
Angelika Bronner-Blatz: „Im Berufsleben spielen Netzwerke eine große Rolle. Dieses Wissen haben sich die Leistungsträgerinnen in unserem Kreis schon vor Jahren zunutze gemacht und haben regionale Netzwerke gegründet. Die Frauen aus verschiedenen Branchen stehen in konstruktivem Austausch und profitieren voneinander. Wissen und Erfahrungen werden gebündelt und weitergegeben. In der Öffentlichkeit wird das Wirken dieser engagierten Frauen unseres Kreises sichtbar. Für die einzelne Netzwerkerin ist das ein guter Weg zur Verbesserung des persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Erfolges.“
Frau Reichert: Wie sieht die Lage an der DHBW Mosbach aus?
Gudrun Reichert: „Die Studienakademie Mosbach wird seit mehr als sechs Jahren von einer Rektorin geleitet. Landesweit zeigt sich aber ein anderes Bild: Nur ein weiterer von 12 Campus wird von einer Frau geleitet. Auch in Mosbach stagniert der Anteil der Professorinnen seit Jahren deutlich unter 20 Prozent. Die Sekretariate sind dagegen fast ausschließlich weiblich besetzt, eine leider „typische“ Geschlechterverteilung.“
Im diesjährigen Onlinevortrag von Tanja Eggers werden ja vor allem die Unterschiede in der Kommunikation zwischen Frauen und Männern thematisiert. Eigene Erfahrungen?
Gudrun Reichert: „Als Gleichstellungsbeauftragte habe ich in den vergangenen 20 Jahren unzählige Berufungs- und Bewerbungsverfahren begleitet. Ein Muster, welches ich hierbei immer wieder wahrgenommen habe, ist, dass Frauen deutlich bescheidener auftreten und sich selbst und ihre Kompetenzen eher in Frage stellen als Männer. So werden viele Männer im Brustton der Überzeugung sagen „Ja, das kann ich!“, während die objektiv gleich qualifizierte Frau antwortet „Da kann ich mich sicherlich einarbeiten“. Wenn Frauen dagegen - ausnahmsweise - sehr selbstbewusst auftreten, besteht die Gefahr, dass dies beim Gegenüber Irritationen oder sogar Ängste auslösen kann, weil dieses Verhalten dem gewohnten Stereotyp widerspricht. Mit anderen Worten: Eine heikle Situation wie ein Bewerbungsgespräch kann für eine Frau zur Gratwanderung werden …“
Angelika Bronner-Blatz: „Ja es besteht tatsächlich ein Unterschied in der Art und Weise, wie Frauen und Männer kommunizieren. Gerade im Beruf sollte man diese Unterschiede wahrzunehmen, zu akzeptieren und damit umzugehen. Für mich persönlich hat das auch zu einem Umdenken geführt: Hätte ich früher freundlich lächelnd gesagt "Könnten Sie das bitte bis zur nächsten Sitzung erledigen?" sage ich heute „Es ist wichtig, dass uns das bis zur nächsten Sitzung vorliegt“. Damit vermeide ich gerade bei einem männlichen Gegenüber, das bei ihm das Gefühl aufkommen kann, ich habe ihm gerade eher einen Vorschlag unterbreitet als einen Arbeitsauftrag erteilt. Das freundliche Lächeln behalte ich natürlich bei.“
Die diesjährige Online-Veranstaltung im Rahmen der Frauenwirtschaftstage an der DHBW Mosbach bietet einen Perspektivenwechsel der besonderen Art an: Was sind die genderspezifischen Besonderheiten und Stärken? Gibt es diese überhaupt? Was lässt sich von den Stärken des anderen lernen? In welches Schubladendenken fallen wir unterbewusst? Was hat das Ganze mit Hirnforschung zu tun? Alumna Tanja Eggers wirft einen Blick auf das angeblich typische Kommunikationsverhalten der Geschlechter.
Der Vortragsabend findet am 14. Oktober 2020 um 18 Uhr statt. Anmeldung und Zugangslink unter: www.mosbach.dhbw.de/frauenwirtschaftstage