Mit dem Regenwurm die Schnecke schlagen

Not-a-Boring Competition: Bau der Mosbacher Tunnelbohrmaschine beginnt

Tunnelbohrmaschinen (TBM) sind langsam, langsamer als eine Schnecke. Dabei kann es Städte lebenswerter machen, wenn ein Teil des Verkehrs unterirdisch verläuft. Der Wettbewerb Not-a-Boring Competition von Elon Musk suchte darum Teams mit neuen Ideen und lädt zum Wettbohren in die Wüste Kaliforniens. Studierende der DHBW Mosbach schicken den Dirt Torpedo ins Rennen, der nun gebaut wird.

„Wir haben seit der Erfolgsmeldung im Januar, dass wir als eines von nur 12 Teams weltweit in der Finalrunde sind, einen Großteil unserer Freizeit in das Projekt gesteckt, neben Studium und Arbeit“, erklärt Adrian Fleck, Teamleiter und Mosbacher Maschinenbau-Student. Gestartet als Idee unter Freunden auf einer Verlobungsfeier, reichten 6 Mosbacher Studenten ihr Konzept als Studienarbeit ein. Dann entstand die Tunnelbohrmaschine Dirt-Torpedo am virtuellen Reißbrett, das Team setzte auf digitale Tools und Simulationen, die Abstimmung erfolgte corona-konform über Webkonferenzen. Doch irgendwann musste das virtuelle Konzept reale Gestalt annehmen, wenn ein realer Tunnel gebohrt werden soll. Hier begann die wirkliche Arbeit: Woher bekommt man Bauteile nach Maß? Wie haucht man der Maschine Intelligenz ein? Wie gelangt der Torpedo, immerhin von Gewicht und Maß mit einem Auto vergleichbar, in die USA?

Glücklicherweise fand das Kernteam der 6 Mosbacher Maschinenbauer und Elektrotechniker sehr schnell viele Unterstützer. Konnten viele der anderen Teams an renommierten Elite-Universitäten auf bestehende Strukturen und Sponsoren und teils 50 Mitglieder zurückgreifen, weil sie bereits seit Jahren an vergleichbaren Wettbewerben teilnahmen, musste das Mosbacher Team alles von vorne und in kürzester Zeit stemmen. So war es ein Glücksfall, dass Informatik-Studenten der DHBW Ravensburg Campus Friedrichhafen und ein Student und Absolvent der TU Darmstadt zum Team stießen. Auch die Stiftung Pro DHBW Mosbach e.V. schaltete sich ein. Geschäftsführer Gerhard Lauth warb im Namen des Dirt-Torpedos um finanzielle und materielle Unterstützung bei Unternehmen der Region und darüber hinaus, bei Mittelständlern und Konzernen, damit das Team sich voll auf Technik und Entwicklung konzentrieren konnte.

Dass der Dirt-Torpedo innerhalb weniger Monate aufholen konnte, was die Konkurrenz bereits an Vorarbeit geleistet hatte, liegt gerade am Zusammenhalt innerhalb der DHBW, ist sich Maschinenbauprofessor Dr. Gangolf Kohnen sicher, der das Team berät und unterstützt. Die Dualen Partner, Arbeitgeber der Studenten, haben viele Freiräume gelassen, damit das Projekt wachsen kann, die akademischen Arbeiten thematisch angepasst und sind teils auch Sponsoren geworden. So ist der Dirt-Torpedo ein Paradebeispiel geworden für die gelebte Dualität und die enge Partnerschaft zwischen Hochschule und Unternehmen.

Der Traum von der Tunnelbohrmaschine nimmt derzeit konkrete Gestalt an. Die gefertigten Teile werden aktuell bei drei Unternehmen in der Fuldaer Region gefertigt: FFT, Wassermann Technologie und Paul Himmelmann Werkzeug & Maschinenbau. Die Montage erfolgt am Ende in Hallen von FFT, bei denen drei der dualen Studenten arbeiten. Neben der DHBW ist daher auch die Wirtschaftsregion Fulda Förderer des Projekts. Komponenten wie Sensoren (WIKA), Ventile (Bürkert) und Linear-Aktuatoren (Thomson Linear) sind dabei ebenso willkommen wie Rechenmodule (Syslogic) und Geldspenden: ebm-papst, Herrenknecht, MPDV, MOSCA, PINK, Wayss & Freytag, WIKA, Wittenstein und Würth sind dabei die Hauptsponsoren. In Summe beteiligen sich alle Partner mit mehr als einer Viertelmillion Euro in Sach- und Geldspenden.

In vier Punkten soll der Dirt-Torpedo den bisherigen Tunnelbohrmaschinen überlegen sein: Er soll sich schneller fortbewegen, präziser navigieren, den Abraum zügiger wegräumen und den Tunnel bereits beim Bohren auskleiden.

Das Team setzte dabei auf einen modularen Aufbau, der die Tunnelbohrmaschine in unterschiedlichem Gelände flexibel einsetzbar macht. Der Regenwurm diente dabei als Vorbild für die Fortbewegung der Maschine, die in drei modulare Segmente aufgeteilt ist: Das erste Segment bohrt sich wie ein klassischer Tunnelbohrer ins Erdreich und zerkleinert den abgetragenen Boden für den Weitertransport. Das mittlere Segment ist verantwortlich für den Vortrieb der Tunnelbohrmaschine, ein drittes kleidet die Tunnelwand mit Beton aus und stützt somit den gebohrten Tunnel. Teile der Segmente pressen sich dabei an die Tunnelwand, der gesamte Bohrer bewegt sich Segment für Segment kontinuierlich wie ein Wurm vorwärts. Ein deutlicher Zeitvorteil, denn im klassischen Tunnelbau wechseln sich üblicherweise Bohrphasen mit Wartezeiten ab, in denen alles für den Vortrieb umgebaut und die Maschine versetzt wird. Der Bohrkopf ist bereits gefertigt und wartet darauf, verbaut zu werden.

Eine weitere Herausforderung ist das abgetragene Material, das nach der Zerkleinerung noch mehr Volumen hat als der Tunnel selbst. Der Abtransport ist aufwendig und zeitraubend. Der Dirt Torpedo zerkleinert das Material zunächst. Vor dem Tunnel, mit einem Schlauch mit der Bohrmaschine verbunden, steht ein Saugbagger, wie er normalerweise für Unterwasserarbeiten verwendet wird. Das Team nutzt ihn, um mit dem Luftstrom Staub, Sand und Erde abzusaugen und vom Bohrort zu entfernen. Für den kurzen Tunnel ist dieses Prinzip der Absaugung per Luft geeignet, in größeren Tunneln wären später dann aufwendigere Methoden anzuwenden.

Auch die Methode, die Tunnelwand mit bereits vorgefertigten Beton-Teilen zu verschalen, hat das Team weiterentwickelt. Um den Tunnel nicht nur schneller zu bohren, sondern auch insgesamt zügiger fertigzustellen, entstand in Kooperation mit Sika Deutschland ein Beton-Liningsystem, das hinten an der Maschine angebracht ist. Es spritzt den Tunnel bereits während des Bohrens mit Beton aus und kann auch flexibel mit Kurven umgehen. In umfangreichen Tests konnte der Beton-Liner dem kritischen Blick des Teams standhalten.

Damit der Dirt-Torpedo jederzeit weiß in welche Richtung er bohren soll, wird die Position mit Hilfe von einem selbstentwickelten Lasersystem unter Zuhilfenahme von GPS ermittelt. Das Navigationssystem erkennt, wenn die Tunnelbohrmaschine von der gewünschten Bewegungsbahn abkommt und steuert automatisch dagegen. Kurven sind damit ebenso möglich wie gerade Tunnelverläufe.

Die Unterstützung der Unternehmen endete jedoch nicht beim Maschinenbau. ebm-papst übernimmt die Zollabwicklung und den Transport der Maschine in die USA, ein ansonsten geradezu alptraumhaft zeitraubendes Unterfangen für das kleine Team. Vor Ort in der Wüste wird ein Saugbagger von RSP America auf die Wettbewerber warten. Siemens stellt die Server zur Verfügung, die den Bohrer präzise ans Ziel bringen sollen. Doch auch Knowhow wird gesponsort, beispielsweise unterstützen im Vorfeld Betonexperten von Sika und Wayss & Freytag bei der Tunnelausschalung.

Der Zeitplan ist sportlich, denn der Wettbewerb findet bereits im September statt. Die Tunnelbohrmaschine wird wohl gerade passend fertig, für Verzögerungen und Fehlschläge bleibt allerdings keine Zeit, bevor sich der Dirt-Torpedo auf die Reise macht, um in der Wüste zu bohren.

Der Dirt-Torpedo

Das Team besteht aus 10 studentischen Mitgliedern aus 4 Studiengängen und einem Mosbacher Professor. Sie kommen von 3 Hochschulen: den 2 DHBW-Standorten Mosbach und Ravensburg und der TU Darmstadt. Unterstützt wird das Team von der DHBW Mosbach, der Wirtschaftsregion Fulda, der Stiftung Pro DHBW Mosbach e.V., 15 Unternehmen als Hauptsponsoren und 9 weiteren Unternehmen als Unterstützern. Sie fördern das Projekt mit mehr als einer Viertelmillion Euro in Form von Geldmitteln, Sachspende oder Knowhow.

Informationen zu Projekt, Team und Sponsoren: www.dirt-torpedo.de

Der Wettbewerb

Bei der Not-a-boring Competition bohren im Spätsommer 2021 zwölf Teams – liebevoll das Digging Dozen genannt – in der Mojave-Wüste einen Miniatur-Tunnel (30 Meter lang mit einem Durchmesser von einem halben Meter). Bewertet werden sie dabei in drei Punkten: Wie schnell ist der Tunnel gebohrt? Wie schnell und gut ist die Tunnelwand und Fahrbahn ausgekleidet? Idealerweise soll hier ein Mini-Tesla durchfahren können. Und als drittes: Wie genau trifft das Ende des Tunnels den anvisierten Endpunkt am Ende des Hügels?

 

Kontakt

Prof. Dr. Gangolf Kohnen
  • Professor MB - Virtual Engineering

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gangolf.kohnen@mosbach.dhbw.de