Wie Wissen konstruiert wird
Vortragsabend an der DHBW Mosbach
Wissen und Konstruktion – nicht nur in den Studiengängen Maschinenbau oder Bauingenieurwesen der Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mosbach wird konstruiert. Im „Studium Generale“ stiegen gleich zwei BWL-Studiengangsleiter in den Ring und diskutierten, wie Wissen entsteht.
Prof. Dr. Volkhard Wolf und Prof. Dr. Manfred Hentz, Studiengangsleiter für BWL-Industrie, waren einst in ein Streitgespräch unter Kollegen geraten bei der Frage: Wie wird Wissen konstruiert? Ihren Disput fochten sie nun Mitte November im Audimax öffentlich, aufschlussreich, humorvoll und unter Beteiligung der Zuhörer aus. Die gut einstündige Veranstaltung wurde damit einmal mehr dem Anspruch gerecht, den man an der DHBW mit dem Format Studium Generale verfolgt: übers eigene Fach hinaus zu blicken, Fähigkeiten fördern, die über den Lehrplan hinausgehen und nicht nur Studierende ansprechen.
Mit der jeweils eigenen Brille, den anderen dabei im Blick habend, widmeten sich Manfred Hentz und Volkhard Wolf zunächst einem Buch des amerikanischen Wissenschaftstheoretikers Thomas S. Kuhn und fragten mit ihm: „Wie werden wissenschaftliche Erkenntnisse erzielt?“ Mit Kuhn geht Volkhard Wolf davon aus, dass Fortschritt sich in der Wissenschaft einer Revolution gleich vollziehe. Der Wissenschaftsprozess werde von Paradigmen (Grundauffassungen) bestimmt, die in der „Normalwissenschaft“ aufrechterhalten werden, ihre Anerkennung aber verlieren können. „Forschung beginnt dort, wo die Lehrbücher aufhören“, so Professor Wolf, „Wissenschaftliche Revolution führt schließlich zum Paradigmenwechsel.“ Das Bild eines frisch geschlüpften Kükens – dessen Blick noch ganz unverstellt ist – war nicht zufällig für die Illustration des Vortrags ausgesucht worden.
Unternehmen sind soziale Systeme
Neue Erkenntnisse hätten es schwer, solange Beobachtungen und Messungen paradigma-bedingt ausgeführt werden. „Paradigma-Prüfer“ sind in Wolfs Augen daher keine Forscher. Damit Wissenschaft entstehen kann, müssen zwei Kriterien erfüllt sein: „neu und offen“ beschrieb Wolf die wahren „Rätsellöser“. Wie die Wahrnehmung der Wissenschaftler und der Blickwinkel das Ergebnis beeinflussen kann, das hatte schon der Autor Thomas S. Kuhn mit optischen Illusionen veranschaulicht. Auch Professor Hentz bediente sich dieses Instruments in seine Ausführungen und stellte ein weiteres Paradigma zur Debatte: „Kommunikation ist der Kernprozess von allem Sozialen.“ Die BWL gehöre zu den Sozialwissenschaften. Unternehmen seien soziale Systeme und werden durch ständige Kommunikationsprozessse beispielsweise über Märkte, Mitarbeiter oder Wettbewerber gesteuert.
Aus wechselseitigen Kommunikationen werde dazu Wissen konstruiert, so Manfred Hentz, um umgehend ein weiteres Paradigma kritisch zu hinterfragen, das der Information. „Der Begriff hat zwar Karriere gemacht, aber er ist nicht definiert.“ Information als technisch-mathematische Größe habe keine Bedeutung, sei wissenschaftlich nicht greif- und messbar. Im Alltagsgebrauch aber erhalte Information Bedeutung. „Es ist unser Kopf, der Bedeutung konstruiert.“ Kommunikation als Austausch von Information aber funktioniere nur, wenn die gesendete Nachricht mit der empfangenen identisch sei, eine ziemlich störanfällige Angelegenheit, wie wohl jeder aus seinen zwischenmenschlichen Beziehungen weiß.
Manfred Hentz bekräftigte, es wäre schlimm, nur Theorien zu vermitteln, „ohne dass jemand handeln darf“. Das war – unausgesprochen – die perfekte Werbung für die Wissensvermittlung an der dualen Hochschule, die ja den Praxisbezug als Leitbild – Paradigma! – hat. Zudem war dieser Abend ein Musterbeispiel für die Zielsetzung, die an der DHBW mit dem Studium Generale verfolgt wird, saßen in den Reihen zwar auch Studierende, doch außerdem andere Dozenten sowie Menschen aus Stadt und Region, die sich munter und kenntnisreich einmischten oder einfach nur mal wissen wollten, „was hier so läuft an der DHBW.