Klassifizierung von viralen hämorrhagischen Fiebern durch Neuronale Netzwerke
DHBW-Studienarbeit auf internationaler Konferenz ausgezeichnet
Seit 40 Jahren brechen die viralen hämorrhagischen Fieber Ebola und Lassafieber immer wieder aus. Hochansteckend und mit einem schweren Krankheitsverlauf sind sie bis heute eine ernstzunehmende Bedrohung für die für die Gesundheit des Menschen. Die Ergebnisse einer Studienarbeit der Angewandten Informatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mosbach wurden nun auf der ICACTE 2018 mit dem Best Presentation Award ausgezeichnet.
„Das Ausmaß der Bedrohung durch virale hämorrhagische Fieber entsteht unter anderem dadurch, dass es an technischer Ausrüstung für die effiziente und effektive Erkennung und Identifikation des verursachenden Virus fehlt“, erklärt Nikolai Steur, Informatik-Student im 6. Semester an der DHBW Mosbach. Sein wissenschaftlicher Artikel „Classification of Viral Hemorrhagic Fever focusing Ebola and Lassa Fever using Neural Networks“ adressiert diese Problematik. Nikolai Steur publizierte seine Ergebnisse auf der renommierten 11th International Conference on Advanced Computer Theory and Engineering (ICACTE 2018) in Hanoi und erzielte damit den Best Presentation Award in der Session II – Computer Science and Information Technology.
Erweiterung der bewährten Methode
Nikolai Steur konzipierte und implementierte in seiner Studienarbeit eine leistungsfähige Software-Architektur, um Viren auf elektronenmikroskopischen Aufnahmen automatisch zu klassifizieren. Damit erweiterte er die bewährte, aber kosten- und zeitintensive Methode der Gewebekultivierung mit anschließender Pathogenklassifizierung unter Verwendung von Elektronenmikroskopie. Die Lösung basiert auf dem Zusammenspiel der Module Multiple Segmentierung, Dimensionalitätsreduktion und Klassifikation.
„Die Leistungsfähigkeit der Software-Architektur für die automatische Virenklassifikation wurde anhand von authentischen elektronenmikroskopischen Aufnahmen des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) von infiziertem Gewebe mit Virionen von sowohl Ebola als auch Lassafieber nachgewiesen“, erklärt der wissenschaftliche Betreuer der Arbeit, Dr. Carsten Müller. Die wesentlichen Vorteile dieser Lösung für die Bekämpfung von hämorrhagischem Fieber: Die Bildsegmente werden automatisch klassifiziert und potentielle virale Infektionen mit Ebola oder Lassa hervorgehoben. Die manuelle Virusklassifikation wird intelligent unterstützt und signifikant beschleunigt.
Die Module der leistungsfähigen Software-Architektur
Im Detail funktioniert die Software-Architektur folgendermaßen: Die Multiple Segmentierung zerlegt das Eingabebild – eine elektronenmikroskopische Aufnahme von Gewebeproben – in eine Vielzahl von individuellen Bildsegmenten. Durch diese innovative Technologie ist es möglich, die relevanten Bildobjekte aus diversen Perspektiven zu analysieren und die Viren zu klassifizieren. Die Multiple Segmentierung ist nebenläufig klassifiziert, wodurch die Geschwindigkeit der Verarbeitung gesteigert wird.
Die erste Dimensionalitätsreduktion findet bereits mithilfe der Multiplen Segmentierung statt, indem das Gesamtproblem der Bildklassifikation auf kleinere Probleme (Bildsegmente) der gleichen Problemklasse zurückgeführt wird. Die zweite Dimensionalitätsreduktion wird durch eine leistungsfähige Präprozessor-Filterkette herbeigeführt. Die Präprozessor-Filterkette besteht aus bildverarbeitenden Filtern, die die Eingangsdaten mit möglichst minimalem Informationsverlust auf nur noch zehn Prozent der Originalgröße reduzieren.
Für die Berechnung verwendet Nikolai Steur hochgradig leistungsfähige neuronale Netze, die sich an der Anatomie des menschlichen Gehirns für die Entscheidungsfindung orientieren. „Es trifft den Zeitgeist, neuronale Netze auch für die Virenklassifikation einzusetzen“, erklärt Nikolai Steur. Um die Datenmenge auf ein Niveau zu reduzieren, das die Rechner schnell und mit guter Erkennungsrate verarbeiten können, werden die Bilddaten mit den vorgenannten intelligenten Technologien vorgefiltert und komprimiert. „Forschungsfragen rund um die künstliche Intelligenz stehen im Fokus in unserem neuen Swarm Lab“, so Studiengangsleiter Informatik Prof. Dr. Alexander Auch. „Die Natur ist ein hervorragendes Vorbild nicht nur für schwarmbasiertes Verhalten von kollaborativen Robotereinheiten, sondern auch für Informationsfilter und -verarbeitung wie hier beim Einsatz von neuronalen Netzen.“
Die International Conference on Advanced Computer Theory and Engineering
Die 11th International Conference on Advanced Computer Theory and Engineering (ICACTE 2018) ist eine international renommierte Konferenz, auf der aktuelle Forschungsresultate aus dem Bereich der Informatik präsentiert und diskutiert werden. Die ICACTE 2018 fand vom 28. bis zum 30. September 2018 in Hanoi, Vietnam, statt. Zu der Konferenz wurden weltweit anerkannte Wissenschaftler geladen, welche mit der Vorstellung ihrer neusten Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung die ICACTE 2018 eröffneten. Danach wurde die Konferenz mit den Präsentationen zu den eingereichten wissenschaftlichen Artikeln fortgesetzt. Die Präsentationen wurden in die zwei Sessions „Deep Learning and Data Analysis“ sowie „Computer Science and Information Technology“ unterteilt. Die Jury verleiht je Session den „Best Presentation Award“ an einen Wissenschafter für die beste wissenschaftliche Leistung und Präsentation. In beiden Sessions wurde ein DHBW-Student ausgezeichnet. „Wir freuen uns sehr über das Engagement und die hervorragende Leistung der Studierenden. Auch zukünftig wird die DHBW mit wissenschaftlichen Publikationen – basierend auf Studienarbeiten – auf international renommierten Konferenzen teilnehmen“, erklärten Auch und Müller.