Start in den Unruhestand
Die beiden Professoren Dr. Harald Kugler und Dr. Ingolf Riedel haben zum 1. Januar 2010 die Duale Hochschule Baden-Württemberg Mosbach verlassen und starten in ihren Unruhestand. Im Interview werfen sie einen Blick zurück und nach vorn. Beide sind sich sicher: Der Lehrberuf an der DHBW Mosbach war für sie ihr Traumjob. Und: beide wollen weitermachen. Dr. Ingolf Riedel baut gerade ein eigenes Beratungsunternehmen auf, Dr. Harald Kugler schreibt Bücher und hält weiterhin Gastvorträge an der DHBW Mosbach.
Interview mit Prof. Dr. Harald Kugler
1. Was hat Sie dazu bewegt, nach Ihrer erfolgreichen Karriere als Entwicklungsleiter in einem mittelständischen Betrieb für Mobilhydraulik an eine Hochschule zu gehen, um dort junge Menschen zu unterrichten?
Ich habe den für die 60er/ 70er klassischen zweiten Bildungsweg beschritten: Lehre, Ingenieurschule, Universität. Dabei standen immer die metallischen Konstruktionswerkstoffe im Fordergrund: Schlosserlehre, Maschinenbaustudium, Promotion im Bereich der Metallphysik. Gegen Ende der Ingenieurausbildung habe ich meine Kommilitonen für die teilweise schwierigen Prüfungsfächer wie Werkstoffkunde und Technische Mechanik erfolgreich vorbereitet. Dabei ist mir bewusst geworden, dass vermitteln schwieriger Sachverhalte mir besonders gut gelingt und dass ich große Freude daran habe. Nun konnte man zu dieser Zeit mit dem Abschluss der Ingenieurschule nicht Dozent an einer solchen werden. Erforderlich war ein Hochschulabschluss und Berufserfahrung in einschlägigen Industriebetrieben. Diese Aufgaben habe ich Schritt für Schritt abgearbeitet, den letzten als Entwicklungsleiter in einem mittelständischen Unternehmen. An der Hochschule habe ich die tiefen Zusammenhänge der Materie verstehen gelernt und in der Industrie wurde mir klar, wie dieses Wissen in der täglichen Arbeitspraxis anzuwenden und um zu setzten ist. Beide Bereiche – Hochschule und Industrie – haben mich in besonderer Weise geprägt. Nach den Lern- und Wanderjahren an Schulen, Hochschulen und Industriebetrieben war es der folgerichtige Schritt für mich meine Lehrjahre durch einen Wechsel in den Beruf des Hochschullehrers zu verwirklichen.
2. Insgesamt unterrichten Sie schon seit 24 Jahren an Hochschulen des Landes Baden-Württemberg im Studiengang Maschinenbau und haben von 1996 bis 2006 die Vertiefungsrichtung Fassadentechnik im Studiengang Bauwesen an der DHBW-Mosbach aufgebaut und das Curriculum hierfür entwickelt. Welches fachliche Thema hat Sie besonders begeistert?
Bei den fachlichen Inhalten habe ich schon früh meine Neigung und auch besondere Freude zu den Werkstoffen entdeckt. Technische Mechanik war eines meiner Lieblingsfächer. Später an der Hochschule konnte ich dann ein umformtechnisches Labor übernehmen und weiter ausbauen. Das hat in mir die Neigung zur Umformtechnik entstehen und wachsen lassen. Hinzu kam, dass die Umformtechnik eng verknüpft ist mit Metallphysik und Werkstoffkunde. So habe ich zu meinen theoretischen Kenntnissen aus der Hochschule die praktische Anwendung gefunden.
3. Sie haben die Veranstaltungsreihe "Zukunftswissen" dieses Jahr an der DHBW Mosbach mitinitiiert. Was ist Ihre Prognose, welche technische Entwicklung aus dem Maschinenbau ist aus Ihrer Sicht die wichtigste für das angehende Jahrhundert?
Es ist interessant den Studierenden und interessierten Mitarbeitern der Firmen zu zeigen welche neue Entwicklung sich etabliert haben und welche Entwicklungen in naher Zukunft sich etablieren werden. 80% der zur Anwendung kommenden metallischen Werkstoffe sind im zurückliegenden Jahrzehnt entwickelt worden. Bei den metallischen Werkstoffen sind es vor allem die Leichtmetalle Aluminium, Magnesium und Titan, die noch für viele Innovationen sorgen werden. Hinzu kommen Entwicklungen im Bereich der Verbundwerkstoffe (Kohlefaserverbundwerkstoffe), Keramiken und Gläser. Da Sie das kommende Jahrhundert angesprochen haben, dürfte die Frage interessant sein, nach welchem Werkstoff die kommende Epoche benannt werden wird: folgt auf Stein-, Kupfer-, Bronze- und Eisenzeit nun die Aluminiumzeit oder die Siliziumzeit, wenn wir an die Halbleitertechnik denken. Oder wird der große Umbruch, der in der Informationstechnologie im Gange ist, der nächsten Epoche den Namen geben? Diese Frage stelle ich den Studierenden in der Einleitungsvorlesung zur Werkstoffkunde – und lasse die Antwort auch hier offen.
4. Welche Projekte haben Sie sich für die nächsten Jahre vorgenommen?
Wenn man mit einem Lernbuch auf den Markt kommt und etwas früher als geplant in den so genannten Ruhestand geht, dann liegt es Nahe, dass man zu dem Fach, das im Lernbuch behandelt wird, gerne noch Vorlesungen halten möchte. So ist es auch in meinem Fall. Ich werde als Lehrbeauftragter – solange ich noch gebraucht werde – für die Fächer Umformtechnik und Werkstoffkunde an verschiednen Standorten der DHBW zur Verfügung stehen. Auch würde es mich reizen an einer Universität die Grundlagenvorlesung zur Umformtechnik zu halten. Meine Frau und ich haben in Südamerika Patenschaften für Kinder übernommen. So bin ich motiviert, mein Spanisch zu vervollkommnen, in der Hoffnung den Menschen dort ein bisschen mehr helfen zu können als dies durch regelmäßige finanzielle Unterstützung möglich ist.
Interview mit Prof. Dr. Dr. habil. Ingolf Riedel
1. Als gebürtiger Leipziger sind Sie noch ein Jahr vor dem Mauerfall in den Westen geflüchtet. Hatten Sie damals schon eine Vorstellung, wie es dann weitergehen sollte?
Eine konkrete Vorstellung hatte ich nicht, aber eigentlich wollte ich unbedingt auf meinem ursprünglichen Spezialgebiet, der Organisation, in der Praxis arbeiten. Hier hatte ich bereits viele Jahre Berufs- und Beratungserfahrung. Durch einige Zufälle bin ich dann durch einen befreundeten Professor aus Frankfurt ermuntert worden, mich um eine Professur zu bewerben. Ich hatte bei ihm einige Vorlesungen vertretungsweise gehalten. Als meine Zeugnisse in den Westen geschmuggelt waren und er diese sah, hat er mir dazu geraten. Die ersten beiden Versuche waren dann auch gleich erfolgreich und ich habe mich bewusst für den dualen Studiengang in Mosbach entschieden, da er meinen Vorstellungen von einem praxisorientierten Studium näher kam als die klassische Hochschulausbildung.
Übrigens ahnte auch ich bei meiner Flucht 1988 nicht, dass bereits 14 Monate später das Ende der DDR-Diktatur in Leipzig eingeleitet werden sollte. Obwohl ich zuletzt am Institut für Wirtschaftsführung der Handelshochschule Leipzig arbeitete und durch die Weiterbildung von Top-Managern der Kombinate und Betriebe sicher mehr Zugang zu Hintergrundinformationen hatte, habe ich eine solche Entwicklung nicht gesehen. Vielmehr glaubte ich, dass die große Trennlinie zwischen Ost und West auf Dauer mitten durch Deutschland verlaufen wird. Dass ich trotz Habilitation und erfolgreichen eigenen Vorlesungsreihen keine Chance auf eine Professur erhalten sollte – ich war der einzige Nicht-Genosse am Institut – ,war nicht der entscheidende Faktor für meine Flucht. Vielmehr wollte ich es nicht mehr ertragen, dass unsere
3 Kinder wieder in einer solchen Diktatur leben sollten. Da die seit 1985 von Gorbatschow – diesem Glücksfall für die deutsche Geschichte – eingeleitete Entwicklung bei den „Betonköpfen“ in Berlin auf keinerlei Resonanz stieß, hatte ich eine Veränderung der Verhältnisse hin zu einer demokratischen Entwicklung ausgeschlossen. Und so habe ich in Absprache mit meiner Frau auf Flucht und spätere Familienzusammenführung gesetzt.
2. Sie haben zunächst eine Lehre als Gasmonteur absolviert, bevor Sie als krönenden Abschluss Ihres Bildungsweges sich schließlich sogar habilitiert haben. Was hat Sie dazu motiviert, diesen Umweg in Kauf zu nehmen?
Das war kein Umweg. Vielmehr hielt ich es für sinnvoll, zunächst eine Berufsausbildung als Basis für ein Studium zu absolvieren. Man erwirbt dabei nicht nur wichtige praktische Kenntnisse für das folgende Studium, sondern lernt auch die teilweise sehr harte Arbeit der Mitarbeiter „an der Basis“ schätzen, eine wichtige Erfahrung für die eigene Bewertung von Menschen.
Das Abitur habe ich neben der Berufsausbildung absolviert und so insgesamt bessere Voraussetzungen für das folgende Studium der Energetik (Gastechnik,
E-Technik, Wärmelehre) an der TU Dresden gehabt. Als Wirtschaftsingenieur bin ich dann allerdings während meiner Assistentenzeit an der TU der technischen Ausrichtung untreu geworden, indem ich mich der Organisation und Unternehmens-führung zugewandt habe. Dieser blieb ich danach aber sowohl in den Jahren meiner Berufspraxis als auch der weiteren wissenschaftlichen Entwicklung einschließlich Habilitation bis heute verhaftet.
3. Was war Ihnen in der Lehre immer am wichtigsten, Ihren Studenten zu vermitteln?
Ich möchte vor allem Begeisterung für Bildung und damit für ein lebenslanges Lernen wecken. Dabei geht es mir nicht nur um das Aneignen formalen Wissens, sondern um „menschliches Wachstum“, also Persönlichkeitsentwicklung im umfassenden Sinne. Bildung war und ist für mich immer auch Erziehung zur Persönlichkeit. Neben einer hohen wissenschaftlichen Qualität der Lehre und der praxisnahen Darstellung der Lehrinhalte sollte selbständiges Denken und eigenverantwortliches Handeln stets das eigentliche Ziel unserer Bemühungen sein. Urteils- und Kritikfähigkeit einschließlich der Fähigkeit zur Selbstkritik, Leistungsbereitschaft, Gerechtigkeitssinn, Einfühlungsvermögen bzw. Empathie, Achtung vor der Persönlichkeit anderer, ethisches Handeln und die Fähigkeit zu komplexem, gesellschaftliche Zusammenhänge erkennendem Denken sind nur einige der Tugenden, um die ich mich stets bemüht habe und bemühe. Gerade die aktuelle wirtschaftliche Situation zeigt doch sehr deutlich, wie wichtig es ist, das moralische, ethische Urteilsvermögen unserer Studenten zu entwickeln.
Wer von sich glaubt, diesbezüglich in seiner Persönlichkeitsentwicklung einmal „fertig“ zu sein, macht gedanklich schon den ersten Fehler.
4. Ihr Ruhestand scheint eher ein Unruhestand zu sein. Können Sie schon etwas zu Ihren Projekten für die kommenden Jahre sagen?
Neben meiner Tätigkeit als Gastdozent an verschiedenen Hochschulen ist die Gründung eines privaten Beratungs- und Weiterbildungsunternehmens geplant. In diesem will ich mich mit einem Team kompetenter und erfahrener Experten neben den Bereichen Personal- und Organisationsberatung insbesondere auch dem Training sozialkompetenten Verhaltens widmen. Das Spektrum wird breit angelegt sein und reicht u. a. vom Kommunikations- und Motivationstraining, dem Führen von und in Gruppen, dem Konflikt- und Veränderungsmanagement bis hin zur Ausbildung von Trainern für Sozialkompetenz. Hier werden wir uns in dem Kompetenzteam sicher gut ergänzen. Details erfahren Sie ab dem Frühjahr im Internet unter „Führungsakademie-Riedel“ (www.fa-riedel.com).