Im Tauber Valley studieren und forschen
Kooperative Promotion zu Digitalisierung im Vertrieb an der DHBW Mosbach
„Zuerst war da ein Problemfeld.“ So ein Satz fordert die Lösung des Problems geradezu heraus, zumal sich das Problem Heiko Fischer und Prof. Dr.-Ing. Sven Seidenstricker stellt. Der eine ist akademischer Mitarbeiter, der andere Studiengangsleiter für Wirtschaftsingenieurwesen an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mosbach am Campus Bad Mergentheim. Heiko Fischer hat in Bad Mergentheim sein Abitur absolviert, dann seinen Bachelor-Abschluss am örtlichen Campus erhalten. Für den Master besuchte er die Technische Universität Chemnitz. Mitte 2020 ist er zurückgekehrt ins Schloss, um zu promovieren.
Dabei wird er betreut von Sven Seidenstricker, der 2017 an den Campus kam. Da die DHBW selbst kein Promotionsrecht besitzt, können Doktorschriften nur in Kooperation mit Universitäten und Hochschulen mit Promotionsrecht im In- und Ausland durchgeführt werden, so genannte kooperative Promotionen. Sie sind ein Ausdruck der zunehmenden Expertise der DHBW Mosbach im Bereich Forschung und Entwicklung und werden durch ein DHBW-eigenes Förderprogramm unterstützt. Mit ihrem „Problem“ haben sich Seidenstricker und Fischer für eine Förderung beworben, diese gewährt bekommen und sich mit der RuhrUniversität Bochum zusammengetan. Der Titel von Fischers Forschungsarbeit lautet: Digitale Transformation im technischen Vertrieb. Ein „Megatrend in der Industrie“, wie der junge Mann weiß. Teilweise aufbauend auf den Studieninhalten des Masterstudiengangs untersucht Fischer, welchen Einfluss die Digitalisierung auf den Vertrieb hat. „Digital Sales“, digitale Vertriebswege, steht als zentraler Begriff über seiner gesamten Forschungsarbeit. Extended Reality, erweiterte Realität, ist ein Schlagwort, das die Beschreibung für eine Verbindung zwischen der physischen und der digitalen Welt ist. Noch prägnanter, fast kryptisch verkürzt auf: XR. Die Erweiterung sind dabei virtuelle Objekte, die man beispielsweise mit einer Datenbrille in die reale Welt einblendet.
Das Thema begeistert Heiko Fischer, weil der Praxisbezug da sei. Als das wesentliche Merkmal eines dualen Studiums begleitet die Praxis den 25- Jährigen seit dem Beginn seiner akademischen Laufbahn im Jahr 2014: Als dualer Bachelorstudent war er in einem der zahlreichen innovativen Dualen Partnerunternehmen, bei Wittenstein, tätig, während seines Masterstudiums dagegen konnte er Einblicke in die Start-up-Szene erhalten.
Beides bereitete ihn auf sein Promotionsthema vor. „Digitalisierung als Grundkonstrukt ist das Schlagwort im Innovationsmanagement – ein superspannendes Thema!“ Die neue Art verzahnten Arbeitens könne Prozesse effizient(er) gestalten, ist Prof. Seidenstricker überzeugt. Doch aufgrund von unzureichenden Kompetenzen, mangelndem Bewusstsein in Unternehmen und veralteten Strukturen würden die Potentiale der Vernetzung nicht vollständig ausgeschöpft. Viel Potential also für Fischer, der seine Studien folglich nicht allein im Elfenbeinturm der Wissenschaft betreibt. Dass der Campus Bad Mergentheim über eine moderne Laborausstattung verfügt, die die Anwendung von XR-Technologien ermöglicht, stört ihn natürlich nicht... Der Studiengangsleiter weiß, dass viele Betriebe mit den neuen Technologien kämpfen. „Da fragt man sich: Welche Technologien setze ich wie ein und welchen Nutzen habe ich davon? Wie kann ich meine Mitarbeiter besser mitnehmen, und wie sieht die Schnittstelle zu meinen Kunden morgen aus?“ Derartige Fragen nimmt Heiko Fischer in seine Doktorarbeit auf, die Auseinandersetzung damit geschieht im Kontakt mit den Unternehmen. „Insbesondere untersuchen wir Möglichkeiten zum Einsatz digitaler Technologien im Vertrieb, daraus resultierende Kompetenzanforderungen und Erfolgsfaktoren zum Einsatz der identifizierten Technologien.“ Die Beteiligung an den Forschungsvorhaben schlägt sich für die teilnehmenden Unternehmen darin nieder, dass die Forschungserkenntnisse mit den Teilnehmern geteilt werden sollen.
Promotionen an der DHBW sind noch die Ausnahme. Am Bad Mergentheimer Schlosscampus ist Heiko Fischer der zweite Promovend und der derzeit einzige. Dreiviertel seines Arbeitsauftrages gilt der Promotion, die anderen 25 Prozent sind mit Vorlesungen gefüllt. „Außerdem betreue und begutachte ich Studien- und Bachelor-Arbeiten; das ist viel Verantwortung.“ Im Büro hängen auch von Hand beschriebene Zettelchen an der Pinnwand, um seine Ideen zu strukturieren. „Digitalisierung ist gut, aber manchmal tut’s das Analoge auch noch“, kommentiert er seinen Arbeitsplatz. Zu seinem Arbeitsplatz am Campus hat er es nicht weit. Zehn Gehminuten. Überhaupt spielt sich Heiko Fischers akademisches Leben, bedingt durch die Corona-Situation, aktuell überwiegend unweit seines Heimatortes Lauda ab. Dabei liebt Heiko Fischer das Unterwegssein, möglichst international, was zwei Auslandsemester und ein regelmäßiger Sprachaustausch belegen. Auf wissenschaftlichen Konferenzen in Straßburg und New York konnte er bereits seine ersten Forschungsergebnisse präsentieren.
Eine gute Möglichkeit, seiner Heimatregion zumindest kurzzeitig mal wieder zu entschwinden! Zur Entspannung und um weg vom Bildschirm zu kommen, zieht er gerne mal ein Paar Schuhe mit je vier Rollen an oder erkundet das Taubertal auf dem Fahrrad. Wenn wahr wird, was Fischers Doktorvater Sven Seidenstricker seinem Schützling wünscht – nämlich, dass er von den drei Jahren des Promovierens viel mitnehmen kann, um das zu machen, was er mag – dann sieht er Dr. Heiko Fischer eines Tages auf Inlinern in Tauber Valley herumflitzen. Ob er dort dann an der Dualen Hochschule lehren, die Hidden Champions in der Region bei der weiteren Digitalisierung des Vertriebs unterstützt oder ein Start-up gründen wird, das lässt er offen…